Umrüstung von Stadtbussen auf CO2-neutralen Hybridantrieb
Pilotprojekt am Flughafen München
Webasto, einer der global 100 grössten Automobilzulieferer, und CM Fluids, ein Start-Up-Unternehmen aus der Biogasbranche, haben einen mit Diesel betriebenen Bus auf einen innovativen CO2-neutralen Hybridantrieb mit Gasmotor und Pufferbatterie umgerüstet.
Pilotprojekt ist ein Passagierbus des Flughafens München, das neue Antriebskonzept wurde aber für Stadtbusse entwickelt.
Gemeinhin dauert ein Pilotprojekt eher lang – zu unklar ist der optimale Lösungsweg, zu vage der Zeitplan. Dass es aber auch schnell und effizient gehen kann, zeigt das gemeinsame Projekt von Webasto, CM Fluids und der Flughafen München GmbH, bei dem die Partner in nur elf Monaten einen Passagierbus des Münchner Flughafens auf einen CO2-neutralen generator-elektrischen Hybridantrieb umrüsteten. Dem Team aus Mitarbeitern der Projektpartner gelang es, eine massgeschneiderte Lösung für Passagierbusse auf dem Vorfeld des Airports zu entwickeln. Der Flughafen München hat ein ambitioniertes Ziel: Spätestens bis zum Jahr 2030 soll der gesamte Flughafen CO2-neutral betrieben werden. Die Umrüstung der Fahrzeugflotte mit den Bussen im Crew- und Passagierverkehr ist eine der zahlreichen Massnahmen auf dem Weg zur CO2-Neutralität.
Ein reiner batterie-elektrischer Antrieb ist keine Option - Eine Hybrid-Alternative ist die Lösung
Der Gedanke, die Busse auf einen reinen batterie-elektrischen Antrieb umzurüsten, liegt nahe. Die Anforderungen am Airport passten jedoch nicht dazu. Durchschnittlich legen die Passagierbusse auf dem Münchner Flughafengelände pro Stunde etwa 14 Kilometer zurück, eine eher geringe Fahrleistung, zudem sind durch verspätete Landungen und Abflüge die Strecken schwer planbar. Dadurch entfällt die Möglichkeit, die Busse mit dem Verfahren des „Opportunity Charging“ (Laden bei Gelegenheit) regelmässig an festen Punkten bei Zwischenstopps zu laden, zumal für den reinen Elektrobetrieb die Ladeinfrastruktur geschaffen und die dazu notwendige Energieversorgung angepasst werden müsste.
CM Fluids liefert die passende Alternative mit ihrem patentierten Antriebskonzept „CMF drive“, das die hohe Reichweite eines Verbrennungsantriebs mit den Vorzügen eines Elektroantriebs mit mitgeführter, gasbetriebener Ladestation kombiniert. In einem Mercedes Citaro wird die reguläre Antriebsachse durch eine elektrische Achse ersetzt. Diese wird von zwei in Serie geschalteten Webasto Batterien angetrieben. Sie beziehen ihre Energie wiederum aus einer kleinen, mit flüssigem Biomethan betriebenen Gasmotor-Generator-Einheit. Dieser Ansatz trägt sowohl den langen Betriebszeiten als auch den häufigen Starts und Stopps des Busses Rechnung: Die Betankung des Fahrzeugs mit 500 Liter Kraftstoff lässt sich in nur fünf Minuten realisieren und reicht für eine Strecke von rund 800 Kilometern.
Hybrid-Konzept für Stadtbusse besonders sinnvoll
CMF drive eignet sich vor allem für den städtischen Nahverkehr, da die Pufferbatterie die Bremsenergie, die im Fahrbetrieb entsteht, speichert und der Bus sie noch einmal nutzen kann – perfekt für Stadtbusse, die oft anfahren und stoppen. Auch für andere, herausfordernde Setups, etwa für den ÖPNV in bergigen Regionen oder auf langen Strecken in ländlichen Bereichen, ist das Konzept optimal zugeschnitten. Schwere kommunale Fahrzeuge, wie beispielsweise Müllsammelfahrzeuge, können damit ebenfalls wirtschaftlich und ökologisch umgerüstet werden.
Als Lieferant für die Batterien in diesem Konzept stand schnell Webasto fest, denn die modularen Systeme des bayerischen Automobilzulieferers kombinieren die Preisvorteile eines skalierbaren Plug-and-Play-Produkts mit der Passgenauigkeit für kundenspezifische Lösungen. „Für unsere Kunden ist dies oft ein unschlagbares Argument: Sie erhalten eine individuell angepasste Lösung auf Basis unserer Standard-Batterien, ohne hohe Entwicklungskosten eingehen zu müssen – und das stets in bewährter Webasto-Qualität“, resümiert Manuel Kagelmann, Leiter des Produktmanagements für Batterien im Aftermarket-Geschäft bei Webasto. Der umgerüstete Mercedes Citaro benötigt dank seines geringen Durchschnittstempos und des Gasmotors nur etwa 70 Kilowattstunden Batterie-Leistung, gewährleistet durch die zwei 400-Volt-Batterien, womit eine Antriebsspannung von 800 Volt erzielt wird.
Ein weiteres Argument: Webasto steuert die Batterien mit einer „Vehicle Interface Box“ (VIB). Diese ermöglicht zusätzlich, die Rekuperationsenergie, die beim Bremsen entsteht, schnell zur Zwischenspeicherung auf die zwei Batterien zu verteilen. Außerdem erleichtert sie die Anbindung der einzelnen Elemente des Antriebskonzepts. „Die Komponenten des Hybridantriebs miteinander in erfolgreiche Kommunikation zu versetzen, war die größte Herausforderung des Projekts“, erinnert sich Dr. Markus Ostermeier, bei CM Fluids verantwortlich für CMF drive.
Eine kostengünstige Lösung mit Auszeichnung
Für den Flughafen München war das Konzept, das jüngst den Innovationspreis der Deutschen Gaswirtschaft erhielt, ein grosser Gewinn: „Wir haben für den Einsatz am Airport eine passgenaue und kostengünstige Lösung erhalten, weil wir ein Fahrzeug aus unserem Bestand erfolgreich umrüsten konnten“, fasst Tobias Prechtl vom Servicebereich Technik der Flughafen München GmbH zusammen. „Der Preis für die Umrüstung macht nur etwa die Hälfte der Kosten aus, die bei einer Umrüstung auf einen reinen Elektroantrieb entstanden wären. Die Neuanschaffung eines Busses wäre erheblich teurer.“
Auch das primäre Ziel des Flughafens, die Emissionen der Busflotte zu reduzieren, wurde mit der Umrüstung erreicht: Das flüssiges Biomethan als Kraftstoff garantiert CO2-Neutralität. Im Vergleich zu einem Diesel-EURO-VI-Motor lassen sich zusätzlich bis zu 90 Prozent Feinstaub und mehr als 60 Prozent der Stickoxide einsparen. Ausserdem bestünde am Flughafen München die Möglichkeit, einen geschlossenen Kreislauf zu schaffen und aus dem Grünschnitt von den Grasflächen am Airport den eigenen Antriebsstoff zu erzeugen.
Für Webasto ist diese Umrüstung das erste Hybridprojekt. „Es befinden sich bereits viele Webasto Batteriesysteme in Fahrzeugen aller Art. Das Projekt mit CM Fluids ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie die Umrüstung mit Batteriesystemen die Vorteile eines verbrennungsmotorischen mit den Vorzügen eines Elektro-Antriebs vereinen kann“, so Kagelmann.
Der Bus des Münchner Flughafens befindet sich aktuell in der Erprobungsphase. Verläuft diese erfolgreich, stehen weitere Fahrzeuge zum Crew- und Passagiertransport zur Umrüstung in Aussicht.